Donnerstag, 8. Juni 2017

1.6 Selfmade Celesta: eine gebrauchte Klaviermechanik beschaffen

Ich war gerade noch am Herstellen von Klangröhren, da kreisten meine Gedanken schon um die nächste Frage: die Art der Aufhängung (Montage, Polsterung etc.). Natürlich hängt die Befestigung stark von der Frage ab, wie die Röhren angeschlagen werden. Dazu musste ich mir also erst einmal darüber Klarheit verschaffen, ob ich eine richtige Mechanik brauche, oder ob die Celesta-Projekt nicht vielleicht doch vorzeitig als einfaches Metallophon mit Xylophon-Bauart und Schlägeln endet...

Brauche ich eine Mechanik? Und wenn ja, was für eine?

Meine erste Überlegung war, nur die Filzhämmer einer alten Klaviermechanik zu verwenden. Viel-leicht würde ein netter Klavierbauer ein paar Hammerköpfe verschenken?  Aber dann kamen mir Zweifel… Andre van Geldern hatte seine Celestette ja mit einer Keyboard-Tastatur von einem E-Keyboard verbunden.  Das erscheint mir persönlich ein unnützer Umweg zu sein. Man hat bei so einem Vorgehen auch keine Dämpfer und muss auf den Luxus von ein bis zwei nützlichen Pedalen verzichten. Und auch mein bester Freund Markus antwortete auf meine Frage, ob ich eine Mechanik brauche: ja Du brauchst eine!

Eine geschenkte Klaviermechanik. Es gibt viele Alt-Klaviere.

Viele Menschen haben defekte Klaviere bei sich zuhause stehen, von denen sie sich "schnell und oft in Form einer Schenkung" trennen wollen :-)  Kurz gesagt, sie haben Kernschrott im Wohnzimmer und wollen umziehen. Natürlich ist es nicht nur Kernschrott! Manchmal, wie in meinem Fall, war es - in mechanisch-materieller Hinsicht - ein ganz passables Klavier. Nur leider mit defektem Stimmstock. Quasi stimmlos. Jede Menge geschenkter Klaviere findest Du z.B. hier https://www.ebay-kleinanzeigen.de/s-klavier-verschenken/k0

Als ich damals bei Ebay-Kleinanzeigen das Angebot von zu ver-schenkenden Klavieren in Berlin durchstöberte, habe ich natürlich ziemlich viele Instrumente gefunden. Aber, eines war besonders interessant! Ein netter Mensch namens „Andreas“ hatte ein Klavier (Baujahr ca. 1930) zu verschenken, das ca. im Jahr 1999 neue Hammerköpfe und Filze bekommen hatte, danach nicht bespielt wurde und nun nicht mehr stimmbar war. Das Holz (der „Stimmstock“) an dem die Stimmnägel zur Saitenbefestigung eingeschraubt sind, hielt die Spannung der Saiten nicht mehr. Der Klavierstimmer hatte ihm gesagt, dass das Instrument ein „wirtschaftlicher Totalschaden“ sei.  Ein paar Tage später habe ich das Klavier besucht. Es war innerlich gut gepflegt und sogar ziemlich staubfrei. Die Töne im Bass allerdings bis zur Unkenntlichkeit verstimmt und die Tasten hatten auf dem Furnier "Farbflecken" und dunkle Verfärbungen, die nur zum Teil mit etwas sanften Putzen abzukriegen waren. Eine 90 Jahre alte „Patina“, die ich durchaus akzeptieren kann.

Abb. Blick in das Innere des defekten Klaviers, noch in der Wohnung des Vorbesitzers


Eignet sich eine Klaviermechanik überhaupt für unsere Zwecke?

Die Frage wollte ich ja mit dem Selbstbau-Projekt beantworten. Also einfach mal loslegen und schauen, ob es geht. Entscheidend für jede Selbstbau-Konstruktion ist wahrscheinlich eine gute Grundsubstanz der Mechanik und eine Standardbauform. Während bei einer normalen Celesta die Klangplatten auf zwei bis vier Etagen angeordnet sind, weil nicht alle nebeneinander passen, müssen bei meinem Röhrencelesta-Projekt alle Röhren direkt nebeneinander passen.

Eine Standard-Klaviermechanik passt gut zu den Dimensionen den ALFER-Aluminiumröhren. Die Abstände zwischen zwei Hammermittelpunkten betragen genau 13,5 mm. Bei einem Durchmesser der Klangröhren von 11,5 mm, bleiben also an beiden Seiten genau 1 mm Platz. Das erschien mir eine perfekte Ausgangslage.  Die Klaviermechanik habe ich ohne großen Aufwand mit einem Schraubenzieher aus dem Gehäuse herausziehen können. Ok, wenn ich ehrlich bin, war es natürlich schwieriger als gedacht. Sogar schweißtreibend. Es war mitten im hochsommerlichen Juni. In einer Stunde sollte der Klavierverschrottungs-Service kommen und ich stand da, mit einem Schraubendreher... Aber die Schrauben bewegten sich erstmal keinen Zentimeter.
Am Ende hat es natürlich geklappt 😄

Ein Modell für Leute, die nur eine Mechanik wollen

Der Deal zwischen Andreas (dem Verkäufer) und mir sah so aus: ich organisiere und bezahle die fachgerechte Entsorgung der nicht benötigten 200 kg Holz- und Altmetallteile....  Dafür kann ich mir alles herausoperieren, was ich noch wieder verwerten kann. Andreas sagte, er habe sich das eigentlich genau so gewünscht. Viele Leute, die Schrottklavier zuhause rumstehen haben, wünschen sich, dass es in die berühmten "guten Hände" kommt. Als Arzt würde ich es so formulieren: "Ihr Klaiver ist hirntod. Aber es kann als Organspender noch anderen Leuten die gute Laune retten."

War die der Entsorgung der nicht verwerteten Reste teuer?

Nein. Ein Klavier-Verschrottungs-Service hat die von mir nicht benötigten Gehäuseteile und den Guss-Rahmen mit den Saiten für 70 € aus der zweiten Etage abgeholt und zum Recycling gebracht. Die Mechanik habe ich mit der Taxe für 20 € zu mir nach Hause befördert. Den Tastaturdeckel und die „Backen“ (zwei Holzklötze, die links und rechts der Tastatur begrenzen), sowie die Pedale habe ich mitgenommen.  Da ich Berlin lebe, wo alle 100 Meter ein Klaviertransportunternehmen angesiedelt ist, war die Sache mit insgesamt 90 Euro wahrscheinlich sehr preisgünstig. Ich denke in anderen Städten könnte es leicht auf den doppelten Betrag hinauslaufen.

Man lerne diesen Satz auswendig  oder sage/schreibe ihn 100 Mal auf: "Ich will beim Mechanikkauf und Celesta-Selbstbau nicht knausrig sein". Siehste! Geht doch.

Aber eignet sich die konkrete, geschenkte Mechanik für meine Zwecke?

Natürlich liegt der Teufel im Detail. Die Anordnung der Hämmer einer aufrechten Klaviermechanik verläuft so, dass die Basshammerköpfe eine andere Schrägstellung besitzen als die Mittellagen- und Diskanthämmer. Hierdurch müssen auch die tieferen Klangröhren leicht schräg montiert werden, während die höheren Röhren gerade hängen. Ich war mir sicher, dieses Problem ist durch Experimentieren lösbar!

Nach Abschluss der Arbeiten, haben sich alle Probleme als leicht lösbar heraus gestellt. Am besten eignen sich sehr hohe Klavier mit fast gerade Bauform der Basssaiten. Solche Exemplare sind allerdings selten

Wenn Dir jemand eine Klaviermechanik schenken möchte, dann schaue Dir den Zustand genau an! Alle Hammer- und Dämpferfilze müssen in einem gutem Zustand sein. Sonst verursacht bereits die Instandsetzung der Mechanik einen sehr großen Aufwand.

Achte bei geschenkten Mechaniken unbedingt auf die richtige Klavier-Bauform!

Zum Einbau der Mechanik in eine Selbstbau-Celesta eignen sich nur Unterdämpfer-Instrumente!
 Also die normalen modernen aufrechten Klaviere. Die Dämpfer befinden sich unterhalb der Hämmer. Dies ist für unser Röhrencelesta-Projekt wichtig, damit eine korrekte Dämpfung möglich wird. Vorsicht mit Instrumenten vor dem Baujahr 1910... 1920.  Oft handelt es sich um Oberdämpferklaviere. Diese alte Bauform, bei denen Dämpfer weit oberhalb des Hammers liegen, eignen sich nicht für eine Selbstbau Celesta. Denn im Vergleich zu einer Klaviersaite sind Klangröhren sehr kurz. Oberdämpfer würden bereits in der oberen Mittellage nicht mehr die Klangröhren erreichen.


Wenn Du wissen willst, wie man eine 86- bzw. 88-Tasten-Mechanik im Wohnzimmer oder auf dem Küchentisch auf eine kleiner Breite zurecht stutzt und Klangröhren verbaut, dann kann ich Dir nur den folgenden Beitrag empfehlen:  http://celesta-instruments.blogspot.de/2017/06/homemade-celeste-tutorial-15.html

Ansonsten lohnt sich ein Stöbern in den Posts http://celesta-instruments.blogspot.de

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